Wir danken Jörn Polzin und der Offenbach Post für die freundliche Genehmigung zur Wiederveröffentlichung. Die Originalveröffentlichung finden sie hier:https://www.op-online.de/sport/lokalsport/es-geht-nur-ueber-das-wir-gefuehl

Am Freitag (19.30 Uhr) tritt das deutsche Basketball-Nationalteam in der WM-Qualifikation in Frankfurt gegen Schweden an. Einer wird ganz genau hinschauen: Fabian Villmeter, einst Zweitliga-Trainer des TV Langen und Leiter des dortigen Teilzeit-Internats, arbeitete als hauptamtlicher Nachwuchstrainer beim DBB. Im Interview spricht der 42-Jährige über olympische Erfahrungen, die Arbeit mit Talenten, die Perspektive in Langen und seine Tätigkeit bei den Hamburg Towers. 

Herr Villmeter, wie werden Sie die Begegnung am Freitag verfolgen?

Gute Frage. Mein Alltag sieht derzeit so aus, dass ich nicht besonders weit vorausplanen kann. Aber ich werde natürlich schauen und unserer Mannschaft die Daumen drücken, auch wenn die Qualifikation zur WM bereits in trockenen Tüchern ist.

Mit Blick auf die verjüngte Mannschaft dürfte Ihnen als Talentförderer sicher warm ums Herz werden.

Ja, mit dem einen oder anderen habe ich schon ein paar Stündchen in der Halle gestanden und das in den unterschiedlichsten Situationen: Die ,alten Hasen‘ wie Karim Jallow, David Krämer, Joshua Obiesie oder Joe Voigtmann kenne ich noch aus meiner Zeit als Assistenztrainer bei der Nationalmannschaft – sie sind ja schon länger dabei. Jacob Patrick war mein Spieler in der U16-Auswahl und Leon Kratzer und Nicholas Tischler habe ich während meiner Zeit in Bamberg trainiert. Mit Len Schoormann ist zudem ein Ex-Frankfurter dabei, mit dem ich bei den Towers Hamburg viel Zeit verbringe.

Wie ist das deutsche Team einzuschätzen?

Das Signal von Bundestrainer Gordon Herbert bei der Kadernominierung ist offensichtlich: Die Qualifikation für die WM ist eingetütet, etablierte Spieler erhalten eine Pause. Dafür bekommen neben bewährten jüngeren Kräften einige Neulinge die Gelegenheit, sich zu beweisen. Im Sommer werden wir hoffentlich wieder viele unserer Jungs aus der NBA oder Euroleague sehen. Aber, das muss man betonen: Ohne all die Jungs, die die Qualifikationsfenster erfolgreich gestalten, würde es nicht gehen.

Wie wichtig ist es für den Basketball-Standort Frankfurt, solche Spiele auszurichten?

Es sollte für jeden Basketball-Fan ein Muss sein, wenn die Nationalmannschaft in der Nähe spielt, sie vor Ort zu unterstützen. Ich freue mich für die Menschen im Rhein-Main-Gebiet, dass sie die Gelegenheit haben, die Ballsporthalle in eine würdige Heimspielstätte zu verwandeln. Umgekehrt bietet das Spiel hoffentlich Werbung für unseren Sport und begeistert vor allem Jugendliche.

Sie sind aktuell bei den Hamburg Towers tätig und damit Ligarivale der Skyliners. Wie sehen Sie die Entwicklung in Frankfurt, gerade als Standort, der stets auf sein Nachwuchsprogramm setzt?

Ich bin in Hamburg sowohl mit dem Profi-Team als auch mit dem Jugendprogramm beschäftigt, derzeit auch als Co-Trainer gefordert. Die letzte Saison inklusive sportlichem Abstieg und Wildcard war sicher nicht leicht für die Skyliners und die Nachwehen ziehen sich in die aktuelle Spielzeit. Aber wie schwierig es ist, sich in der Bundesliga zu behaupten, bekommt ja auch mein Verein zu spüren. Vor allem dann, wenn man sportlichen Erfolg und Talententwicklung kombinieren will. Ich bin mir aber sicher, dass einige Talente den Sprung auf das BBL-Parkett schaffen werden.

Sie waren als Assistent von Bundestrainer Henrik Rödl im Einsatz. Was bleibt aus der Zeit hängen?

Henrik und ich haben einige Jahre miteinander gearbeitet, auch in der U20-Auswahl. Daraus ist ein sehr enges Vertrauensverhältnis entstanden. Es war eine tolle Zeit, gespickt mit vielen Erfahrungen, die wir machen durften. Etwa mit der erfolgreichen Qualifikation für die WM in China 2019 und zum Abschluss natürlich die Olympischen Spiele in Tokio. Die Mischung aus Cheftrainer einer Jugend-Nationalmannschaft und Assistent bei den Herren war über vier Jahre eine tolle Kombination für mich.

Warum ging es unter Gordon Herbert nicht weiter?

Nachdem Henrik beim DBB aufhörte, war klar, dass dieser Zyklus zu Ende geht und auch ich habe mich langsam aber sicher umorientiert. Ich habe noch einen Lehrgang unter Gordies Leitung mitgemacht, das war auch gut und interessant. Ich bin aber überhaupt nicht böse drum, dass er dann andere Leute an seine Seite geholt hat.

Was für ein Trainertyp ist Herbert?

Er ist vor allem ein unfassbar erfahrener Trainer. Die BBL kennt er wie kaum ein anderer und über seine Tätigkeit für den kanadischen Verband ist er mit den Aufgaben als Nationaltrainer vertraut. Im Sommer hat er bei der EM gezeigt, dass er einen sehr guten Draht zu den Top-Spielern hat und in der Lage ist, einen Teamgeist entstehen zu lassen, auch wenn die Mannschaft nicht so lange zusammen ist. Es muss immer über eine gute Emotionalität und ein Wir-Gefühl gehen.

Worauf kommt es bei der Talentförderung an und was muss ein Spieler mitbringen, um den Sprung nach oben zu schaffen?

Da gibt es mehrere Komponenten: Athletisches Potenzial steht in einer Sportart, die immer schneller und intensiver wird, an erster Stelle. Dazu eine gute technische Ausbildung, Trainingsfleiß und Beharrlichkeit. Ein Thema, das mir sehr wichtig ist, ist die hohe Spielkompetenz. Das heißt, das Spiel lesen und gute Entscheidungen treffen zu können, am Ende können schließlich Bruchteile von Sekunden entscheiden.

Jene Inhalte haben Sie auch während Ihrer Zeit in Langen vermittelt. Wie ist heute der Kontakt dorthin und wie bewerten Sie die Entwicklung des TVL?

Ich war vergangenes Frühjahr bei meinem alten Förderer Jochen Kühl zu Gast, pflege immer noch Kontakt zu Manager Jogi Barth, Arnd Lewe und mit einigen meiner Spieler aus der Langener Zeit. Jochen erzählte mir, dass endlich der Neubau einer Halle beschlossen sei und noch weitere Projekte geplant sind. Das freut mich sehr, vor allem dass auch künftig Generationen von jungen Basketballern die Voraussetzungen finden, dort ihrer Sportart nachzugehen.

Wie wichtig wäre dabei ein Aufstieg der Herren aus der Regionalliga in die drittklassige Pro B?

Es würde mich natürlich freuen, wenn der TVL wieder auf der Pro-B-Landkarte auftauchen würde. Es ist schön zu sehen, dass Coach Tobias Jahn einen guten Job macht. Ich bin der Erste, der zur Aufstiegsfeier vorbeikommt! (lacht). Es ist schwer einzuschätzen, wie wichtig das für den Standort ist. Das Teilzeit-Internat hat zumindest im männlichen Bereich an Bedeutung verloren, was die Ausbildung von Talenten für die nationale Spitze angeht. Besonders seit an vielen BBL-Standorten professioneller gearbeitet wird. Aber es kann ja auch Sinn machen, für den Pro-B-Bereich Spieler aus der Region zu entwickeln.

Wie sehen Ihre persönlichen Pläne und Ziele aus?

Ich bin ja erst seit einem knappen halben Jahr in Hamburg, bei einem noch ganz jungen BBL-Club, mit Potential und Ehrgeiz. Erstmals bin ich aus dem reinen Trainerdasein raus und übernehme hier übergeordnet Verantwortung, was ich auch unbedingt wollte. Hier ist alles auf Mittel- und Langfristigkeit ausgelegt, weshalb ich davon ausgehe, dass ich während der nächsten Jahre weiter damit beschäftigt sein werde, die Towers voranzubringen.

Das Gespräch führte Jörn Polzin