Langen – Thorsten Schulz hat Zeit. Viel zu viel Zeit für den Geschmack des Basketball-Trainers. VON JÖRN POLZIN Offenbach Post, mit freundlicher Genehmigung. Den vollständigen Bericht lesen Sie hier: OP
Statt wie gewohnt zwischen seiner Heimat Leimen und seinem Arbeitsort Langen zu pendeln und sich mit den Spielerinnen der Rhein-Main Baskets den Play-off-Duellen zu stellen, ruht der Basketball. Kein Training, keine Spiele, auch Gespräche mit Spielerinnen und Offiziellen sind vorerst auf Eis gelegt. Das Coronavirus hat den Zweitligisten fest im Griff.
Missmutig blickt Schulz auf den 12. März zurück. Da erhielt er die Nachricht, dass Trainings- und Spielbetrieb eingestellt werden. „Wir hatten schon damit gerechnet, dass unser Spiel in Bad Homburg auf der Kippe steht. Aber das vorzeitige Saisonende macht einen baff und traurig“, erzählt Schulz. Selbst der für den darauffolgenden Sonntag geplante Restaurantbesuch zum Abschluss der Hauptrunde wurde abgesagt. Die Kanadierinnen Maddie Torresin und Jamie Hutcheson sind wieder in ihrer Heimat, ebenso der US-Amerikaner Christopher Edward, der für den TV Langen aufläuft. „Wir hatten kaum Zeit, uns richtig zu verabschieden, da sie sofort aufbrechen mussten, um noch nach Hause zu kommen. Das tut einem richtig leid“, bedauert Schulz.
So sieht es auch Kapitänin Pia Dietrich und nimmt es mit (Galgen)-Humor: „Jetzt heißt es Füße hochlegen und auf sich aufzupassen.“ Und das nach einer Saison, in der die Baskets eine beeindruckende Entwicklung genommen haben, die Hauptrunde auf dem sechsten Tabellenplatz abschlossen. „Es ist unfassbar schade, dass wir doch nicht an den lang ersehnten Play-offs teilnehmen dürfen. Dabei lief es wirklich gut bei uns“, betont Dietrich.
Wie die Saison nun gewertet wird, ob es Auf- und Absteiger gibt, müssen die Ligaoffiziellen noch entscheiden – vermutlich bis Mitte April. „Am fairsten wäre es, die aktuelle Tabelle zu übernehmen, zumal ja nur der letzte Spieltag ausgefallen ist“, meint Schulz. Die DJK Don Bosco Bamberg, punktgleich mit Bad Homburg an der Spitze, hat bereits angekündigt, auf einen möglichen Aufstieg zu verzichten. Derlei Gedanken müssen sich die Baskets-Verantwortlichen nicht machen. Als Sechster bleiben sie in jedem Fall zweitklassig.
Trotz des abrupten Endes habe die gesamte Mannschaft weiter „richtig Bock“ auf Basketball meint der Trainer, der sich selbst und die Spielerinnen etwas bremsen muss. Sie können sich zumindest noch mit ihren individuellen Plänen fithalten. „Sonst wird ihnen zu schnell langweilig.“
Den gesteigerten Trainings-eifer und die richtige Mentalität sieht Schulz auch als wesentliche Faktoren für den Aufschwung mit zuletzt fünf Siegen aus sechs Spielen. Die Mannschaft habe sich toll entwickelt und erkannt, wie gut sie eigentlich sein kann. Jule Seegräber, Jasmin Weyell und Melina Karavassilis etwa hätten offensiv einen großen Sprung gemacht, Alica Köhler in der Verteidigung. Für den Coach ganz wichtig: „Wir haben selbst Spiele gewonnen, in denen wir eher schwache Wurfquoten hatten, sind also nicht von der individuellen Klasse einzelner Spielerinnen abhängig.“
Klar ist aber auch: Eine gut aufgelegte Jamie Hutcheson hebt das Team auf ein höheres Niveau. Das ist freilich auch der Konkurrenz nicht entgangen. So sollen der 26 Jahre alten Flügelspielerin, die 18 Punkte im Schnitt erzielte, mehrere gut dotierte Angebote vorliegen – auch aus der Bundesliga. „Natürlich würden wir sie gerne halten, aber es ist absolut nachvollziehbar, wenn sich Jamie anders entscheidet“, betont Schulz. Auch bei ihrer Landsfrau Maddie Torresin ist der Verbleib noch offen. „Wir bleiben in Kontakt.“
Sobald sich die angespannte Lage rund um die Pandemie wieder etwas beruhigt hat, stehen Einzelgespräche an. Der Kern des Kaders soll und wird zusammenbleiben. Positive Signale gab es bereits von Pia Dietrich, Jasmin Weyell, Nathalie Zehender und Melina Karavassilis. Auch Jule Seegräber, die zwischenzeitlich mit einem Wechsel in die USA liebäugelte, wird wohl ihr Studium in Darmstadt aufnehmen und bleibt den Baskets erhalten.
Neben Paula Süssmann und Saskia Stegbauer sollen weitere Talente aus dem U18-Bundesligateam von Rolf Weidemann in die Damen-Mannschaft integriert werden. Die U18 hatte überraschend das Play-off-Viertelfinale erreicht und Titelverteidiger TS Jahn München ausgeschaltet. „Der Rolo gibt die Mädels aber nur ungern her, da müssen wir schauen“, witzelt Schulz.
Für die neue Spielzeit ist der gut vernetzte Coach zuversichtlich, wieder ein tief besetztes Team mit Play-off-Ambitionen formen zu können. Das Achtelfinale, ist Schulz überzeugt, hätten seine Spielerinnen im Quervergleich mit der Nordstaffel auch in dieser Saison gemeistert. Vielleicht sogar mehr. Unter dem Strich sei es „eine geile Saison“ gewesen, die rein sportlich Lust auf mehr macht. Und bis dahin? „Heißt es vorsichtig sein, auf andere Rücksicht nehmen und den Sport außerhalb der Halle zu entdecken“, meint Pia Dietrich.