Mit freundlicher Genehmigung der Offenbach-Post und Jörn Polzin

Die Zahlen sind beeindruckend und in der Basketball-Szene wohl einmalig: Rainer Greunke trägt seit 50 Spielzeiten das Trikot des TV Langen. Kürzlich bestritt der 30-fache Nationalspieler sogar sein 2000. Spiel für die „Giraffen“.

Anlass genug, mit dem 65-Jährigen, dessen Töchter Svenja und Mara ebenso ihre Spuren auf dem Feld hinterlassen haben, auf eine bewegte Zeit zurückzublicken. Im Interview spricht Greunke über den Meilenstein, Anfänge und Aufstiege mit dem TV Langen, den frustrierendsten Moment seiner Karriere und wie er Basketball damals und heute sieht.

2000 Spiele: Was macht diese Zahl mit Ihnen?

Diese Frage müsste man eher meinen Knien stellen (lacht). Im Ernst: 2000 Spiele ist zunächst eine abstrakte Zahl, wenn man sie nicht mit anderen Spielern vergleichen kann. Ich kenne keinen Verein und keine Spieler – außer beim TV Langen -, die die Zahl ihrer Spiele kennen. In Langen bin ich damit sicher noch einige Zeit an der Spitze. Mir selbst ist die Bedeutung erst bewusst geworden, als ich nachgerechnet und festgestellt habe, dass ich jetzt 50 Saisons für den TVL gespielt habe. Das bedeutet im Schnitt 40 Spiele pro Saison und das ist wirklich viel.

Rainer Greunke

Alter: 65
Wohnort: Langen
Vereine: TV Langen, University of Alaska, Anchorage
Position: Guard und Flügel
Erfolge: 1977 Deutscher Meister A-Jugend; 1978 Teilnahme Militär-WM; 1979 Teilnahme Studenten-WM; 1981 Aufstieg 1. Bundesliga; 1986 Teilnahme WM in Malaga; 2013 Weltmeister Ü55; 2014 Europameister Ü55; 2018 Vizeeuropameister Ü60; 2019 Vizeweltmeister Ü60

Hat Sie der Zeitpunkt der Ehrung von Vorstandsmitglied Jochen Mayer bei der Ü55-DM in Freiburg dann überrascht?

Da Jochen Kühl (langjähriger Abteilungsvorsitzender) seit Jahren diese Statistik führt und diese nach jeder Saison veröffentlicht, wusste ich, dass es dieses Jahr passieren wird, habe aber erst zum Saisonende damit gerechnet. Dass Jochen Mayer in Freiburg vorbeigekommen ist, um mich zu ehren, hat mich überrascht und sehr gefreut.

Wie lief es denn sportlich bei der Ü55-DM?

Mit dem dritten Platz sind wir sehr zufrieden. Im vergangenen Jahr waren wir noch Neunter und mussten uns für diese Endrunde erstmal qualifizieren.

Sie sind mit 65 Jahren noch mit viel Herzblut am Ball. Was reizt Sie nach all den Jahren?

Ich liebe den Wettkampf, zu testen, wer der Bessere ist und ob ich noch mithalten und helfen kann. Aber ich genieße auch den persönlichen Kontakt zu den vielen Spielern, die ich seit Jahren kenne und es sind auch viele Erlebnisse und Begegnungen außerhalb der Sporthalle, die ich nicht missen möchte.

Gibt es noch Erinnerungen an Ihr allererstes Spiel im Langener Trikot?

Nicht direkt an das erste Spiel. Aber ich kann mich erinnern, dass ich noch kein Trikot hatte und im weißen Feinripp-Unterhemd gespielt habe. Die Nummer wurde mit Heftpflaster aufgeklebt, die „11“ war am einfachsten zu kleben.

Anfang der 80er Jahre war der TVL mit Ihnen erstmals erstklassig. Was war so besonders an dieser Zeit?

Wir hatten zunächst als Zweiter der 2. Liga den Aufstieg verpasst, sind dann aber über ein Qualifikationsturnier nachgerutscht, womit nicht mehr viele gerechnet hatten. Nach dem Aufstieg in die 1. Liga gab es eine unglaubliche Basketball-Euphorie in Langen. Den Kern der Mannschaft bildeten Langener Eigengewächse wie Jogi Barth und Peter Hering, die in der Stadt ein bisschen bekannt waren. Nach dem Aufstieg kannte uns gefühlt jeder Ebbelwoifestbesucher (lacht).

In die 80er Jahre fällt auch die WM-Teilnahme in Spanien. Wie blicken Sie auf die Einsätze im Nationaltrikot zurück?

Für diese Zeit habe ich sehr gemischte Gefühle. Da wir mit dem TVL zwischen 1. und 2. Liga gependelt sind, war ich der einzige nicht fest etablierte Erstligaspieler im Kader. Einige Male wurde ich vor einem Großturnier als 13. Mann aus dem Kader gestrichen. 1985/86 habe ich vielleicht meine beste Saison in der 1. Liga gespielt und wurde für die WM-Qualifikationsspiele nominiert. Durch den verletzungsbedingten Ausfall eines Spielers bin ich in die Startformation gerutscht. Auch das lief richtig gut und wir haben uns erstmals für eine WM qualifiziert.

Und dann?

Ich hatte die Zeit, meine Diplomarbeit fertigzustellen, bevor die WM-Vorbereitung losging. Leider habe ich in den Qualifikationsspielen nicht wirklich überzeugt. Trotzdem hat der Trainer an mir festgehalten. Nach dem ersten WM-Spiel verlor ich berechtigterweise meinen Platz in der ersten Fünf und bekam nur noch wenige Minuten Spielzeit. Den negativen Höhepunkt gab es im Gruppenfinale gegen China.

Erzählen Sie bitte…

Wir brauchten einen Sieg mit fünf oder sechs Punkten Differenz, um weiterzukommen. Kurz vor Schluss stand es Unentschieden und wir hatten zwei Freiwürfe. Hätte der Spieler beide verworfen, hätten wir in der Verlängerung die Möglichkeit gehabt, den Rückstand aufzuholen. Der Coach forderte den Spieler aber auf zu treffen, damit wir das Spiel gewinnen. Er hatte keine Hoffnung, dass wir gegen die starken Chinesen hoch genug gewinnen könnten. Wir haben das Spiel gewonnen und sind am nächsten Morgen nach Hause geflogen – der frustrierendste Moment meiner Laufbahn.

Zurück zum TVL, dem Sie immer treu geblieben sind. Mal ehrlich: Hat Sie eine Veränderung nie gereizt?

Als wir mit Langen besser wurden und aufgestiegen sind, wollte ich dort unbedingt auch den Sprung in die 1. Liga schaffen. Das ist 1981 gelungen. Nach dem Abstieg kam das nächste Ziel, ein Jahr in den USA in Anchorage, Alaska. Nach der Rückkehr musste ich langsam mein Studium zu Ende bringen, das war auch keine gute Zeit für einen Wechsel. Ernsthaft drüber nachgedacht und Gespräche geführt habe ich nach dem Abschluss meines Studiums, aber ich wollte auch einen Job für mich und meine Freundin, ohne die ich nicht wechseln wollte. Das konnten leider die interessierten Vereine nicht bieten. Ich habe es aber nie bereut zu bleiben und hatte immer ein bisschen Respekt davor, dass ich den Sprung nicht schaffe.

Der Alltag der TVL-Männer heißt Regionalliga. Wie bewerten Sie die Entwicklung am Standort?

Die Anforderungen an Bundesligabasketball sind massiv gestiegen und die Konkurrenz ist deutlich größer geworden. Mit dem Umzug der Skyliners ist vor einiger Zeit ein Topteam ins Rhein-Main-Gebiet gekommen, das talentierte Spieler als auch Sponsoren und Kapital gebunden hat. Aber auch die haben es schwer. Der Rückzug von Hanau ist ein weiteres Beispiel dafür, wir hart es geworden ist, in den höchsten Ligen mitzuhalten. In Langen wird seit vielen Jahren solide Arbeit geleistet und die Ausbildung von jungen Spielern in den Vordergrund gestellt. Solide Arbeit heißt auch finanzielle Sicherheit. Die Mannschaft hat mit dem neuen Trainer (Tobias Jahn) eine tolle Saison gespielt und hoffentlich schaffen sie mal wieder den Sprung in die Pro B.

Ihre Tochter Svenja, einst ebenfalls Nationalspielerin, ist für die Baskets in der 2. Liga aktiv. Sind Sie da oft in der Halle dabei?

Wenn ich nicht gerade selbst spiele, bin ich gern in der Halle, insbesondere bei Svenjas Spielen. Da gibt es immer viel zu helfen und es ist schön, im Team hinter dem Team zu sein. Da ich es mir als Rentner recht gut einteilen kann, bin ich zu fast allen Auswärtsspielen gefahren.

Was würden Sie heute den Basketball-Talenten mit auf den Weg geben?

Macht, was euch Spaß macht! Aber macht das, was ihr macht, richtig – mit Überzeugung, Intensität und Euphorie. Wenn ihr gut und erfolgreich sein wollt, müsst ihr immer etwas mehr tun als die anderen. Dann könnt ihr großartige Momente erleben.

Welchen Basketball sehen und spielen Sie lieber, den von damals oder heute?

Das ist eine komplizierte Frage. Der Basketball, den ich heute spiele, hat nichts mit dem Basketball zu tun, den ich in den 80er Jahren gespielt habe. Basketball von heute ist deutlich individueller und athletischer. Er richtet sich wesentlich an der Spielweise der NBA aus. Ich habe schon früher lieber den mehr taktisch geprägten College-Basketball geschaut als die NBA trotz all ihrer Superstars. Das liegt vielleicht daran, dass die Superstars zu weit von meinen Möglichkeiten weg waren und sind.

Welche Ziele verfolgen Sie noch? Die 2500 Spiele?

Mein Körper, vor allem die Knie sagen mir deutlich, was sie von der Belastung halten. Deshalb gibt es keine langfristigeren Planungen mehr. Im Mai stehen Deutsche Meisterschaften in der Ü60 und Ü65 an und im Juni die Europameisterschaft in Portugal. Für die WM in Argentinien im September haben wir leider kein Team zusammenbekommen. Dann ist Pause und Körper und Geist müssen sich neu sortieren.

Das Gespräch führte

Jörn Polzin

Meilenstein: Vorstandsmitglied Jochen Mayer (Mitte) ehrt Rainer Greunke (2. v. l.) für 2000 Spiele im TVL-Dress. © p

Besondere Premiere: Rainer Greunke lief bei der ersten deutschen WM-Teilnahme 1986 in Spanien auf. © imago sportfotodienst