Den folgende Artikel von Jörn Polzin dürfen wir mit freundlicher Genehmigung der Offenbach Post veröffentlichen.
Bekannt wurde Dirk Nowitzki als deutscher Superstart der Dallas Mavericks in der NBA. Als das „German Wunderkind“ lediglich ein in Expertenkreisen hoch geschätztes Basketball-Talent war, trat der blondes Schlaks mit der DJK Würzburg beim TV Langen an – und hierließ damals schon einen bleibenden Eindruck.
Langen – Der Drei-Punkte-Wurf ist zu kurz. Der 17-jährige Schlaks überlegt nicht lange, setzt hinterher. Fünf Schritte Anlauf, dann hebt er ab, fängt den Ball in der Luft und hämmert ihn durch den Ring. Eine Szene, die sich ins Gedächtnis von Jürgen Barth eingebrannt hat. Auch 25 Jahre später. Der Teenager mit den langen blonden Haaren ist kein geringerer als Dirk Nowitzki. Barth, damals wie heute Manager des TV Langen, schwärmt, wenn er vom Basketballer spricht, der im September 1995 gleich zweimal mit der DJK Würzburg in der Sehring-Halle zu Gast ist. „Man hat in dieser Szene gesehen, welch unglaubliches Potenzial in Dirk Nowitzki steckt“, betont Barth. „Er war lang, schlaksig und unheimlich schnell. Er holte hinten die Rebounds und war mit zwei Dribblings schon an der Mittellinie. Sein Riesentalent war unverkennbar“, pflichtet Jochen Kühl bei, viele Jahre Abteilungsleiter beim TVL, heute noch Pressesprecher.
Ein Talent, das Nowitzki gepaart mit harter Arbeit später zum Superstar macht, zum Vorzeigebasketballer: Mehr als 20 Jahre spielt der Würzburger in der nordamerikanischen Profiliga NBA und hinterlässt riesige Fußstapfen. Mehr als 31 000 Punkte, 11 000 Rebounds, 3000 Assists und 1500 erfolgreiche Dreier sprechen für sich. Und das alles für eine Mannschaft, seine Dallas Mavericks. „Er hat eine einzigartige Karriere hinter sich. Dirk ist ein großer Sportler und ein großartiger Mensch“, lobt Barth, der Nowitzki auch als Fahnenträger bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking vor Ort erlebte.
Seit einem Jahr ist Schluss für Nowitzki, mittlerweile 42 Jahre alt und dreifacher Familienvater. Mehr als 1500 Spiele hat er in der NBA bestritten, dazu einige mit Würzburg, unter anderem jene in Langen. Zunächst am Samstag, 9. September. „Die Giraffen fliegen im hohen Bogen aus dem Basketball-Pokal“, titelt unsere Zeitung nach dem Zweitrundenduell. Herausragend auf Würzburger Seite beim 102:73: Der frühere Langener Nico Wucherer sowie jener 17-jährige Junioren-Nationalspieler namens Dirk Nowitzki.
„Wir wussten nur, dass da ein Supertalent kommen soll, der noch nicht so lange Basketball spielt“, blickt Jens Freudl zurück, damals Center beim Zweitligisten TV Langen und einer der Gegenspieler von Nowitzki. Der gehört damals erst seit einem Jahr zum Zweitligateam. Seine Zeit soll noch kommen. „Im Spiel war er nicht so auffällig, aber er war auch erst 17 Jahre alt“, meint Freudl. Auch eine Woche später, beim Ligaduell, kommt es zum Aufeinandertreffen der Langener mit dem „German Wunderkind“. Erneut unterliegen die „Giraffen“ deutlich, vermeiden beim 69:99 so eben die Höchststrafe von 100 Gegenpunkten. Nowitzki zeigt einen krachenden Dunking, Freudl ist auf der anderen Seite mit 17 Punkten bester Langener Punktesammler.
„Und das ist wirklich schon 25 Jahre her, unglaublich“, meint Freudl. Natürlich hat sich sein Blick auf die damaligen Duelle über all die Jahre deutlich verändert. „Es kann schließlich nicht jeder behaupten, gegen einen Dirk Nowitzki gespielt zu haben.“
Wenn sich Freudl heute mit einstigen Kollegen trifft, kommt das Thema gern mal zur Sprache. Wie ganz Basketball-Deutschland hat er die Entwicklung von Nowitzki genau verfolgt, einige Spiele von der Nationalmannschaft gesehen, eher wenige von den Dallas Mavericks. „Er war zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle“, betont der Langener.
Während Nowitzki in der Saison 1997/98 die Würzburger zum Aufstieg führt und anschließend eine große NBA-Karriere startet, erlebt auch Freudl mit den „Giraffen“ „gute Zeiten“. Beim Pokalspiel gegen Alba Berlin 1998 kommen 1400 Zuschauer in die Sehring-Halle.
Obwohl die Sensation ausbleibt, wird damals jene Stimmung erzeugt, die Freudl heute am Basketball-Standort in Langen vermisst. Statt Bundesliga heißt der Alltag seit einigen Jahren Regionalliga. „Geld regiert eben die Welt, selbst in der Viertklassigkeit“, betont der 49-Jährige: „Ich habe noch mit Leuten zusammengespielt, die aus Langen kommen, mit Eigengewächsen. Das gibt es heute selten.“
Trotzdem ist er dem Verein immer treu geblieben. Erst bei den 1. Herren, dann in der Regionalliga-Reserve und schließlich für die Seniorenteams bis hin zur Ü45. „Die alten Hasen zu treffen, macht immer wieder Spaß“, betont Freudl, dessen Tochter in der Jugend des TVL spielt. Nun macht der Rücken bei ihm allerdings nicht mehr so mit. Ein großer Erfolg bleibt aber: Die Deutsche Meisterschaft mit der Ü32-Auswahl im Jahr 2006. Im selben Jahr verliert Nowitzki das NBA-Finale mit den Dallas Mavericks gegen die Miami Heat, ehe er fünf Jahre später die Meisterschaft holt – als erster und einziger Deutscher überhaupt. „Wie man sieht, hat er dann doch einen Sprung gemacht“, schmunzelt Freudl.
(Von Jörn Polzin)
Die Originalveröffentlichung finden Sie hier: