mit freundlicher Genehmigung der Offenbach-Post und Autor Jörn Polzin:
Aus unserer Serie „Vor 25 Jahren“: Knapp 2000 Zuschauer sehen das Basketball-Duell zwischen dem TV Langen und der „Übermannschaft“ Alba Berlin
Langen – Ob 1400, 1600, 1800 oder 2000? Auf die genaue Zuschauerzahl will sich Jürgen Barth auch 25 Jahre später nicht festlegen. So oder so ist es eine beeindruckende Kulisse, am 12. Dezember 1998, in der Sehring-Halle. Eine, die dem „absoluten Highlight“ einen würdigen Rahmen verleiht. Der Zweitligist und Favoritenschreck aus Langen empfängt Basketball-Serienmeister Alba Berlin zum Pokal-Viertelfinale. „Das war die Übermannschaft“, erzählt Barth, damals Geschäftsführer und bis heute Manager der „Giraffen“.
Spieler wie Wendell Alexis, Trainer-Sohn Marko Pesic, die 2,15-Meter-Center Robert Maras und Patrick Femerling sowie der gebürtige Offenbacher Henrik Rödl locken die Fans in die Hallen. So auch in Langen an diesem besonderen Abend. „1000 Karten sind im Vorverkauf schnell weggegangen. Insgesamt dürften es an die 2000 Zuschauer gewesen sein. Mehr als in unserem ersten Erstligajahr, als wir auch regelmäßig um die 1000 Besucher hatten“, sagt Barth. Die „proppevolle Halle“ beschert dem TVL die höchste Heimspiel-Einnahme der Vereinshistorie. Etwa 20 000 DM, schätzt Barth. Kleiner Haken: Die Einnahmen werden geteilt, die Hälfte geht also an Alba Berlin.
Deren Trainer muss sich in Sachen Popularität vor den Spielern nicht verstecken: Svetislav Pesic. Der mittlerweile 74 Jahre alte Serbe holt 1993 mit Deutschland den EM-Titel betreut bis 2000 die Berliner und ist bis heute für die Auswahl seines Heimatlandes zuständig. Er warnt seine Mannschaft nach Videoschulung vor den „Giraffen“. Schließlich haben diese zuvor zwei Erstligisten aus dem Wettbewerb gekegelt, Titelverteidiger Trier und Braunschweig. „Die Jungs haben mir aber wohl nicht richtig geglaubt“, erinnert sich Pesic. So wittert der krasse Außenseiter aus Langen seine Chance, hält gut mit und bleibt bis zum 41:43 (25.) auf Tuchfühlung. „Da war eine Riesenstimmung in der Halle“, erinnert sich Barth.
Vielseitiger Topspieler: Der beim EOSC ausgebildete Henrik Rödl bestritt 512 Spiele für Alba Berlin. © imago
So gar nicht nach dem Geschmack des extrovertierten wie emotionalen Pesic, der die Mannschaft bei der Fehleranalyse zur Pause an der Ehre packt. „Danach ist sie besser mit dem Gegner zurechtgekommen und hat das Spiel sicher in den Griff bekommen.“ Oder wie es Barth formuliert: „Sie haben dann ernst gemacht.“ Folge: Alba setzt sich mit 81:57 durch und zieht letztlich ungefährdet ins Halbfinale ein.
Ob in der Kabinenpredigt auch nicht ganz jugendfreie Worte gefallen sind? Markige auf jeden Fall. „Svetislav ist ein toller Trainer mit heißblütigem Temperament“, erzählt Langens Manager Barth schmunzelnd, der den einen oder anderen serbischen Fluch hautnah miterlebt hat. Denn: Beide sind sich schon zuvor mehrfach begegnet. Zu einer Zeit, als der Serbe die ersten Schritte als deutscher Bundestrainer macht und der als A2-Nationaltrainer fungierende Barth bei einem Turnier im Elsass die Rolle als französischsprechender „Delegationsleiter“ übernimmt.
„Wir haben uns danach immer wieder mal gesehen und es war natürlich toll, ihn in Langen dann mal als Trainer so zu erleben“, erzählt Barth.
Auch der Trainer-Routinier hat für die Leistung des Gegners nur lobende Worte parat, hebt taktische Disziplin und moderne Spielweise hervor. Von der Spieleinstellung begegnen sich Langen und Berlin auf Augenhöhe. Doch bei der Umsetzung erhält der Zweitligist vom Deutschen Meister in der zweiten Hälfte eine Lehrstunde. Durch Schnellangriffe kommen die Berliner zu einfachen Punkten. TVL-Trainer Henner Weis meint im Nachgang schmunzelnd: „Berlin war der erwartet starke Gegner.“
Dabei ragt ein Akteur in seinem gefühlten Heimspiel heraus. Henrik Rödl, einst beim EOSC ausgebildet und in Offenbach zum Bundesligaspieler gereift, erzielt in Langen 17 Punkte und glänzt auch in der Defensive.
„Henrik war ein absoluter Topspieler, der schon mit 18 Jahren herausragende Fähigkeiten hatte. Er war vielseitig einsetzbar und korbgefährlich auf allen Positionen“, sagt Barth, der Rödl (Jahrgang 1968) schon von Duellen aus dessen Kindheit kennt.
Wie etwa 1982 und 1984 als sich der starke Langener Jahrgang 1967/68 gleich zweimal zum Deutschen Jugendmeister kürt und dabei unter anderem die Offenbacher um Rödl hinter sich lassen. Oder 1987, als die Männerteams des TVL und EOSC um den Bundesliga-Aufstieg konkurrieren, mit besserem Ende für die „Giraffen“. „Wir hatten immer großen Respekt vor Henrik, wenn er unser Gegner war“, erinnert sich Barth, dessen Langener sich am Abend des 12. Dezember 1998 nicht grämen müssen. Sie unterliegen nicht nur dem späteren, sondern auch neunfachen Pokalsieger.
Von Jörn Polzin