Wir danken der Offenbach-Post und Autor Jörn Polzin für die freundliche Genehmigung der Wiederveröffentlichung.

Eigentlich hätten die Olympischen Spiele in Tokio die letzten für Jürgen Barth, Basketball-Manager des TV Langen, sein sollen. Doch er wünscht sich Paris als Abschluss.

Langen – Auf ein allerletztes Olympia-Abenteuer: Der Langener Jürgen „Jogi“ Barth (67) nimmt als Funktionär oder Verbandsberater des Deutschen Olympischen Sportbundes in Paris an seinen fünften Sommerspielen teil. Im Interview spricht der Basketball-Manager des TV Langen über seine Erwartungen, Sicherheit, Höhepunkte vergangener Auflagen und was er den Ballsportlern zutraut.

Herr Barth, Tokio 2021 sollten Ihre letzten Spiele in Funktionärsmission sein. Wie kommt es zum Sinneswandel?

Eigentlich wäre ich Ende Mai 2023 in Ruhestand gegangen. Aber wir waren uns einig, dass es Sinn macht, nicht im Zyklus direkt vor Olympia aufzuhören. Das war auch mein Wunsch. Es geht mir dabei vor allem um die Möglichkeit, in Paris dabei sein und die von mir betreuten Verbände unterstützen zu können. Über all die Jahre gibt es natürlich eine hohe Affinität zu den Verbänden. Und Paris wird sicher auch ganz anders als Tokio.

Sie sprechen die besonderen Bedingungen und Corona-Auflagen in Tokio an. Was ist von diesen Spielen hängen geblieben und was erwarten Sie in Paris?

In Tokio war alles sehr streng geregelt, fast überall herrschte Maskenpflicht. Dazu mussten wir uns jeden Tag testen. Es waren bei den Wettkämpfen keine Zuschauer zugelassen. So wurde zwar hochklassiger Sport geboten, aber ohne echte Atmosphäre. Auch von der Stadt haben wir durch die Einschränkungen wenig gesehen. Diesmal wird es Spiele geben, wie man sie kennt. Ein tolles Erlebnis in einer tollen Stadt. Langsam geht das Kribbeln los (lacht).

Die Sicherheitsdebatte bei Großveranstaltungen wird immer wieder befeuert. Haben Sie Befürchtungen?

Ich versuche, mir nicht zu viele Gedanken darüber zu machen. Natürlich ist Paris schon häufiger Zielscheibe von Angriffen gewesen und es werden in der Welt viele Konflikte ausgetragen. Aber die französischen Behörden werden sicherlich ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept ausarbeiten. Gerade was die Transfers zu und von den Wettkampfstätten angeht. Es kommen viele Menschen zusammen, was auch Olympia ausmacht. Es ist ja wie bei der Fußball-EM: Man kann auch nicht alles verhindern.

Wie sieht Ihr Fahrplan bis zum Olympiastart aus?

Es finden noch Nominierungssitzungen statt, die offizielle Einkleidung und natürlich muss viel mit den Verbänden abgestimmt werden. In den Sportspielen gibt es unterschiedliche Teamgrößen bei den Großereignissen, dazu müssen zusätzliche Athleten benannt werden, die bei Verletzungen gegebenenfalls nachrücken. Jetzt wird es intensiv. Am 20. Juli geht es dann nach Lille, wo zuerst die Basketball-Teams und später die beiden Handballmannschaften spielen werden und untergebracht sind.

Sie sind für die Teamsportarten zuständig, diesmal vor allem für die Basketballer. Skizzieren Sie bitte mal das Aufgabenfeld…

Ich werde die Teams in Empfang nehmen, wir haben diesmal ja die Männer, Frauen und weibliche 3×3-Auswahl, die aber in Paris spielen wird, dabei. Ansonsten bin ich der verlängerte Arm des Mannschaftsbüros und Ansprechpartner für alle möglichen Dinge. Wer ein kleines oder großeres Problem hat, kommt zu mir. Das kann die Reservierung von Besprechungszimmern sein, Transfers, Meldungen an die Zentrale oder der Umgang mit verlorenen Gegenständen.

Wie nah sind Sie an den Athleten dran?

Das hängt von Sportlern und Verantwortlichen ab. Insgesamt halten wir uns eher im Hintergrund. Über all die Jahre kenne ich aber natürlich den einen oder anderen, man sieht sich im Hotel oder in der Mensa. Mit dem früheren Volleyball-Bundestrainer Vital Heynen habe ich mich häufiger mal ausgetauscht. Oder bei den Basketballern mit Robin Benzing, der ja lange bei uns in Langen gespielt hat oder Delegationsleiter Armin Andres, gegen den ich selbst noch gespielt habe.

Und 2008 in Peking durften Sie Dirk Nowitzki als Fahnenträger des deutschen Teams erleben. Ihr olympischer Höhepunkt?

Ja, das waren meine ersten Olympischen Spiele und sowieso ganz speziell. Der Einmarsch ins Olympiastadion vor 100 000 Zuschauern mit Dirk als Fahnenträger war ein besonderer Moment. Aber auch die Beachvolleyball-Goldmedaillen von Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 in London und Laura Ludwig/Kira Walkenhorst vier Jahre später in Rio. An der Copacabana das Finale vor 10 000 verrückten brasilianischen Anhängern zu verfolgen, war beeindruckend. Genau wie das Fußball-Endspiel im Maracana gegen Brasilien. In Rio haben wir ja mit allen deutschen Mannschaften Medaillen gewonnen.

Wie sehen die Aussichten diesmal aus? Speziell bei den Basketballern sind nach dem WM-Titel im vergangenen Jahr die Erwartungen hoch…

Ich bin gespannt, die Wagner-Brüder habe ich noch nie live spielen sehen. Das wird ein Hammerturnier, bei zwölf Teams ist die Leistungsdichte sehr groß. Gerade die USA mit ihren überragenden NBA-Stars oder Serbien mit Nikola Jokic sind natürlich eine Hausnummer. Man darf ja auch nicht vergessen, dass wir bei der WM auch im Viertelfinale gegen Lettland hätten ausscheiden können. Das liegt dann manchmal an einem Wurf. Und wenige Tage später ist man Weltmeister. Eine Halbfinalteilnahme traue ich der Mannschaft aber wieder zu, eine Medaille wäre natürlich großartig.

Und bei den anderen Sportarten?

Ich denke, dass wir bei den Hockey-Herren auch um eine Medaille mitspielen können. Sie gehen ja auch als Weltmeister ins Rennen. Die Volleyballer sind schwer einzuschätzen. Bei der Qualifikation in Brasilien waren sie richtig im Flow. Am Beispiel der Basketballer sieht man ja, wohin das bei einem Turnier führen kann. Und für die Handballer wäre sicher auch das Halbfinale ein Erfolg.

Und bei den Frauen?

Die Hockey-Frauen können eine gute Rolle spielen, der Titel sollte aber an die Niederlande gehen. So wie im Basketball an die USA. Dass sich unsere Mädels qualifiziert haben, ist alleine schon ein toller Erfolg. Auch die Fußballerinnen haben ein gutes Team zusammen, aber mit den USA und Australien zwei dicke Brocken in ihrer Gruppe. Sie sind sicher nicht der Favorit, aber können die Gruppenphase überstehen. Insgesamt bin ich mir sicher: Wir werden nicht leer ausgehen.

Das Gespräch führte Jörn Polzin