Mailien Rolf, früher Spielmacherin der Rhein-Main Baskets, schafft etwas, das nicht jeder Neuling am US-College erreicht. Sie kann sich über Einsatzzeiten nicht beklagen.

Offenbach-Post vom 08.01.2025 Gerade ein paar Monate ist es her, als für Mailien Rolf das große Abenteuer begann. Aus dem beschaulichen Roßdorf in die 542 000-Einwohner-Stadt Tucson, von der Bertolt-Brecht-Schule an die Universität von Arizona, von den Rhein-Main Baskets zu den Arizona Wildcats. Für das 19-jährige Basketball-Ass ein Eintauchen in eine andere Welt. Größer, vielfältiger, manchmal fast erdrückend. Eine Welt, in der sich Rolf aber recht schnell zurechtgefunden hat. „Im Großen und Ganzen bin ich sehr zufrieden und habe meinen Flow gefunden“, sagt Rolf. „Auch wenn die Umstellung groß war.“ Kulturell, kulinarisch, sprachlich, sportlich. Mit einer Veränderung hat sie sich schnell und gerne angefreundet. „Hier scheint ständig die Sonne.“ In Tucson, gelegen in der Sonora-Wüste Arizonas, sogar an 350 Tagen im Jahr.

Für Rolf ein netter Nebeneffekt. Ihr pickepackevolles Programm spielt sich zumeist in Studienräumen und Sporthallen ab. Freie Tage sind rar gesät. Das macht ihr nichts aus, im Gegenteil: „Ich genieße das.“ Speziell täglich in der Halle zu stehen. Sei es an der Wurfmaschine, beim Training oder den Spielen der Wildcats, die live im TV übertragen werden. „Alles ist hier sehr professionell, man wird gut betreut und hat jederzeit Zugriff auf die Halle“, freut sich die mit Sportstipendium ausgestattete Spielmacherin.

Grundsätzlich sei der Stellenwert des Basketballs an der Universität sehr hoch, was sich am Zuschauerzuspruch ablesen lässt. 6000, 7000, manchmal sogar 8000 Fans treiben die Mannschaft bei den Heimspielen an. „Unsere Uni ist bekannt für diese krasse Atmosphäre“, erzählt Rolf. An ihr erstes Spiel vor imposanter Kulisse erinnert sie sich noch genau: „Da war ich sehr nervös. Das ist eine andere Lautstärke, als ich das aus Langen gewohnt war, wobei auch die Halle dort ganz besonders für mich ist.“

Ob in Langen, Hofheim oder Tucson/Arizona, eines bleibt gleich: Wenn Mailien Rolf im Spiel das erste Mal den Ball in der Hand hält, legt sie die Anspannung beiseite. „Da fällt alles von mir ab, der Fokus ist nur noch auf dem Spiel, obwohl es hier natürlich schwieriger ist, die vielen Menschen auszublenden.“ Beim Debüt Anfang November steht sie gleich 22 Minuten auf dem Feld, erzielt neun Punkte. Bis zum Jahresende bringt sie es im Schnitt auf 16 Minuten, vier Punkte und drei Rebounds. Saisonbestwert: 30 Minuten und elf Punkte gegen Weber State.

Aber es sind nicht nur diese Werte, die Adia Barnes von Rolf schwärmen lässt und sie veranlasst, der Deutschen die meiste Spielzeit unter den Neulingen zu geben. „Ich wusste, dass Mailien stark rebounded, aber ich habe nicht erwartet, dass sie so gut verteidigt. Sie spielt hart und unerbittlich und lernt immer mehr dazu“, sagt die Cheftrainerin der Wildcats.

Attribute, die Rolf schon bei den Rhein-Main Baskets auszeichneten, sie zur Führungsspielerin reifen ließen, einer „Ausnahmespielerin“, wie ihr früherer Trainer und Förderer Saymon Engler sagt. In den USA hat sie die ersten wichtigen Schritte gemacht, steht gelegentlich sogar in der Startformation.

Der Spielstil ist ein anderer. Dazu hat jeder Trainer eine eigene Art, Dinge zu vermitteln. Aber ich komme gut klar und habe meine Rolle gefunden“, sagt Rolf. „Ich würde am liebsten immer spielen, aber ich kann mich nicht über die Einsatzzeiten beklagen. Es heißt oft, dass man im ersten College-Jahr wenig spielt. Zudem sind Niveau und Intensität viel höher.“

Wissbegierde, Flexibilität und Fleiß helfen Rolf auch abseits des Feldes, Barrieren zu überwinden und sich anzupassen. Etwa, wenn Gesprächspartner zu schnell reden, Wörter verschlucken. Oder im Studiengang „Nutrition for Human Performance“, frei übersetzt Ernährung für menschliche Leistungsfähigkeit, den Rolf mit Psychologie kombiniert und sich damit breit aufgestellt sieht. „Da kommen natürlich schon mal Ausdrücke, die man nicht kennt. Aber vieles lässt sich aus dem Kontext ableiten oder nachschlagen. Nachfragen geht sowieso immer“, sagt sie schmunzelnd.

Kreativ ist sie auch bei der Ernährung – gezwungenermaßen. Stichwort Fast Food. „Vieles ist fettig und anders gewürzt. Da hatte ich am meisten dran zu knabbern.“ Für das Basketballteam kommen solche Gerichte zwar seltener auf dem Tisch, „aber es schadet nicht, ein paar Restaurants zu kennen, in denen mehr europäisch gekocht wird. Das ist gesünder und irgendwie auch angenehmer.“

In den Genuss kam zuletzt auch ihre Familie, die sie zwischen den Jahren besuchte. „Wir hatten nur vier Tage frei, da hätte es sich nicht gelohnt, nach Deutschland zu fliegen, alleine wegen des Jetlags“, erklärt Rolf. „Wir haben viel unternommen und Arizona genossen.“ Ihre nicht mehr ganz so neue Heimat.

(Jörn Polzin)

Wir danken Jörn Polzin und der Offenbach Post für die Genehmigung der Wiederveröffentlichung.