„Unorthodoxe Moves gefragt“: Leon Fertig zählt zu den besten 3×3-Basketballern in Deutschland. Nun will der 23-Jährige wieder im Langener Trikot (rechts) seine Qualitäten einbringen. © imago/Marina schwarz
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Stand 20.11.2024, 13:55 Uhr Von: Jörn Polzin
Dass der TV Langen mit Leon Fertig einen Weltmeister in seinen Reihen hat, macht den Verein stolz. Vor dem nächsten Heimspiel ist Fertigs Einsatz aber fraglich.
Langen – Nach der Saison ist vor der Saison lautet eine beliebte Sportler-Floskel. Es gibt Ausnahmen, für die sie angepasst werden müsste. Nämlich in: Nach der Saison ist mitten in der Saison. Gestatten: Leon Fertig, 23 Jahre alt, Vollblut-Basketballer, 3×3-Weltmeister und Führungsspieler beim TV Langen.
Beim Regionalligisten in seiner Heimatstadt sticht der Mann mit dem besonderen Lebenswandel hervor. Als Freiplatz-Profi, der – mit nahtlosem Übergang – in den kälteren Monaten seiner Leidenschaft in der Halle nachgeht. Und natürlich als U23-Weltmeister in einer Variante, die stetig am Wachsen ist und durch den Olympia-Triumph der deutschen Frauen in Paris einen regelrechten Hype erfahren hat.
„Im 3×3-Basketball sind unorthodoxe Moves gefragt“, erklärt der in Darmstadt geborene und in Langen wohnende Fertig die Vorzüge: „Man wird in Abwehr- wie Angriffsaktionen gleichermaßen permanent gefordert. Das manchmal Wilde, das Durcheinander in diesem Sport – das liegt mir einfach.“
Das Spiel unter freiem Himmel ist schnell und kurzweilig, die Regeln simpel. Drei Aktive pro Team, ein halbes Spielfeld, ein Korb, ein Ball – mehr braucht es nicht zum 3×3. Das Image des von lauten Bässen unterstützten Freiplatz-Gezockes greift allerdings zu kurz. Wer in der Szene durchstarten und sich einen Namen machen will, muss hart an sich arbeiten – unter professionellen Bedingungen. Wie Leon Fertig.
Beim Team LFDY stellt er seine Fähigkeiten unter Beweis. In Düsseldorf, neben Hamburg einziger Standort, der 3×3-Basketball auf diesem Niveau anbietet, und im dritten Jahr in Folge den Deutschen Meister stellt. „Das war der beste Schritt in meiner Karriere. Wir arbeiten unter professionellen Bedingungen, trainieren täglich, wenn wir nicht zu Spielen oder Turnieren unterwegs sind. Das hat mir noch mal einen richtigen Push gegeben“, erzählt Fertig. Als 3×3-Nationalspieler jettet er durch die Welt, misst sich mit den Besten, ist einer der Besten. Mal ist er in Kroatien, in Puerto Rico, in China, in Abu Dhabi. Viel hätte nicht gefehlt und die Liste wäre um Paris ergänzt worden. Doch für Olympia reicht es nicht ganz. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. „Mein Ziel persönlich und auch dieses Teams ist es, unbedingt bei Olympia dabei zu sein. Daran setzen wir alles“, sagt Fertig.
Auf einen großen Erfolg kann er trotzdem zurückblicken. Im September führte Fertig die U23-Auswahl in der Mongolei zum WM-Titel. „Wir hatten eine unfassbare Energie“, betont der Spielmacher. „Wobei das nur ein kleiner Meilenstein ist, weil ich langfristig in der Weltrangliste der Männer vorne dabei sein möchte.“
Energie braucht es auch bei seinem straffen Programm zwischen Freiplätzen und Hallen. Größter Unterschied: Während Fertig als 3×3-Profi seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist der Profi-Traum in der klassischen Variante unerfüllt geblieben. Fertig durchläuft die Jugendteams des TV Langen, wird dort im Teilzeit-Internat ausgebildet, wagt mit 15 Jahren den Sprung ins niedersächsische Quakenbrück und in das dortige Leistungszentrum. Bensheim, Weiterstadt, Hanau, Itzehoe, Hamm, Wolfenbüttel und Neu-Isenburg heißen die weiteren Stationen. Über die 2. Liga kommt er dabei aber nicht hinaus.
Sportlich wie menschlich lernt er mit Rückschlägen umzugehen. 2020 leidet er unter Depressionen, zieht sich fast ein Jahr zurück. „Der Sport hat mir sehr geholfen, die Krankheit einigermaßen in den Griff zu bekommen“, erzählt Fertig, der in einer Langener Hochhaussiedlung in schwierigen Verhältnissen aufgewachsen ist, dort gelernt hat, sich durchzukämpfen. Drogen, Kriminalität, Gewalt – allesamt Berührungspunkte seiner Vergangenheit. Seine Pläne für die Zeit nach dem Sport überraschen daher nicht. „Ich werde ein Studium im sozialen Bereich machen. Ich denke, dass ich Betroffenen mit meinen Erfahrungen helfen kann.“
Helfen will er sportlich erst mal dem TV Langen. Dort ist man stolz auf seinen Weltmeister. Vor dem Heimspiel am Samstag (19.30 Uhr) gegen Makkabi Frankfurt wird es eine Ehrung geben. „Leon ist ein großartiger Spieler, der Langen sehr verbunden ist und uns bis Saisonende zur Verfügung stehen wird“, freut sich Manager Jürgen Barth. Ob er am Samstag auflaufen wird, steht noch nicht fest. Fertig ist im Training umgeknickt. Ein zu großes Risiko wollen und werden die „Giraffen“ jedenfalls nicht eingehen. Kann ja noch sehr wichtig werden im Play-off-Rennen, der Leon aus Langen. (Jörn Polzin)