Das eine Jahr in den USA hat Lena Herrmann offenbar gutgetan. Die 19-Jährige, die sich selbst als „Kopfmensch“ bezeichnet, hat viel gelernt und ist nun bei den Rhein-Main Baskets auf dem Weg, eine wichtige Stütze zu werden.

Das folgende Interview wurde am 18.11.2020 in der Offenbach-Post veröffentlicht. Wir dürfen mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Verlags den Artikel hier veröffentlichen. Den Originaltext finden sie hier:
Langen – „Die Lena“, sagt Thorsten Schulz mit seinem typisch-kurpfälzischen Dialekt, „ist einfach subba“. Die Lena, das ist Lena Herrmann, 19 Jahre alt und eine der positiven Überraschungen der Rhein-Main Baskets in dieser noch jungen, aktuell unterbrochenen Zweitliga-Saison. Und die Lena ist auch eine, die sich viele Gedanken macht, auf und abseits des Basketball-Feldes. „Ich bin ein Kopfmensch“, sagt sie von sich selbst. Hin und wieder stehe sie sich selbst im Weg. Wenn es etwa darum geht, eine Führungsposition bei den Baskets einzunehmen, die anderen richtig mitzuziehen. Daran arbeitet sie und erhält prominente Unterstützung: Svenja Greunke. Herrmann zählt zu jenen Spielerinnen, die von der Ex-Nationalspielerin gern mal zur Seite genommen werden, Ratschläge erhalten. „Das hilft mir ungemein“, sagt die Hofheimerin, die sich in ihrem ersten Zweitliga-Jahr bereits fest in die Rotation gespielt hat – sich aber eher bescheiden gibt.

Es hat ganz gut für mich angefangen und ich habe schon einige Spielanteile bekommen“, erzählt sie. Die Zahlen belegen dies: In den Partien gegen Weiterstadt und Schwabach stand Herrmann im Schnitt 21 Minuten auf dem Feld und steuerte neun Punkte bei. Auch die Wurfquoten des vielseitig einsetzbaren Neulings können sich sehen lassen. Im Testspiel gegen Titelkandidat Bad Homburg glänzte sie sogar mit 21 Zählern.

Der vorläufige Stopp des Spielbetriebs wegen der neuen Coronatest-Anordnung kommt somit zur Unzeit – für die bislang ungeschlagenen Baskets und für Herrmann. Die Studentin findet klare Worte. „Die Situation ist schon verwirrend und es fehlen mir etwas die konsequenten Entscheidungen“, sagt sie mit Blick auf den Verband. Für den einen oder anderen Klub dürfte die Testpflicht vor den Spieltagen finanziell wie organisatorisch zu einer kaum zu überwindenden Hürde werden. Herrmann rechnet daher mit Absagen. Andererseits bringt es uns eine gewisse Sicherheit, auch für die Familien der Spielerinnen und wir wären froh, weiter spielen zu können.“

Die Betonung liegt auf spielen. Denn die 19-Jährige hat sich zum Ziel gesetzt, noch mehr Einsatzzeiten zu bekommen, vielleicht auch mal einen Platz in der Startfortmation zu sichern. Für einen „Rookie“, wie sich sich selbst bezeichnet, wäre das ein rasanter Aufstieg. Die statistischen Werte sprechen für sie. „Ich kann mich nicht beschweren, aber ich weiß auch, dass es noch nicht reicht“, sagt Herrmann, die mit acht Jahren mit Basketball begann, sich zudem auch für Fußball und American Football interessiert. „Da habe ich zumindest die Grundidee halbwegs verstanden“, schmunzelt sie.

Verstärkt wurde das Interesse durch ihr Auslandsjahr in den USA. Herrmann studierte bis März am John Wood Community College von Illinois und erlebte dort den Sport auf eine ganz andere Art. Tägliches Training über mehrere Stunden, große Wertschätzung für die Athleten und gut gefüllte Hallen. „Alles wird mit viel mehr Aufwand betrieben, es ist einfach Teil der Kultur“, erzählt Herrmann, die in dieser Zeit auch als Basketballerin reifte. „Ich habe gelernt, physischer zu spielen, besser mit dem Ball umzugehen und mein Repertoire zu erweitern. Ich suche jetzt mehr den Kontakt“, erzählt sie. Doch das geplante Auslandsjahr fand nach neun Monaten ein abruptes Ende. Wegen der Pandemie musste Herrmann frühzeitig ihre Zelte abbrechen. Eine Rückkehr wird es trotz der positiven Erfahrungen so schnell nicht geben. „Dort weiter zu studieren oder sogar zu leben, kann ich mir nicht vorstellen. Corona wird dort nicht so ernst genommen und man sieht ja gerade in den letzten Tagen und Wochen, was in diesem Land los ist.“

Auch der Entschluss, als frühere U17-Bundesligaspielerin erneut für die Baskets auf Korbjagd zu gehen, hängt mit der Pandemie zusammen. Irgendwann sei ihr zuhause einfach die Decke auf den Kopf gefallen. Sie brauchte einen Ausgleich zum „Rumsitzen“ am Schreibtisch. Den sieht sie auf dem Basketballfeld, als Hobby wohlgemerkt. Vorrang hat ihr BWL-Studium in Mannheim, das in Corona-Zeiten virtuell über die Bühne geht.

„Basketball soll Spaß machen. Ich bin ein Teamplayer“, betont Herrmann, die schon in der Hessenauswahl und U15-Nationalmannschaft auflief. Nun will sie bei den Baskets zur Führungskraft heranwachsen. Der Trainer ist angetan. „Lena ist eine sehr schnelle und smarte Aufbauspielerin. Sie strahlt mit und ohne Ball im Angriff Gefahr aus“, betont Schulz.

Anders gesagt: „Einfach subba“.

von Jörn Polzin

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